Fading Worlds
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ein Bild transportiert Emotionen wie kein anderes Medium. Was, wenn mehrere Bilder aus unterschiedlichen Themenbereichen nebeneinander gelegt und übereinander geschichtet, miteinander verwoben, verflochten und hier und da verschmolzen; sich zu einem Ganzen verbinden und aus einem Bild verschiedene Erzählstränge sich zu einer Geschichte mit Rahmenhandlung, Hauptfiguren und Nebencharakteren emporheben, wenn aus den einzelnen Bildteilen mehr wird als die Summe des Ganzen; und uns nicht nur tausend Worte zugerufen werden sondern gezeigte Geschichten, Mythen und Legenden ein assoziatives Weiterdenken fordern? Dann befinden wir uns in der komplexen, vielschichtigen und leuchtenden Bildsprache von Johann Büsen. Johann gelingt es, die Bilder und Eindrücke die unser tägliches – virtuelles – Leben begleiten, bereichern und überfüllen, zusammen zufassen und aus Ihnen diffizile malerische Werke, oft im Großformat zu schaffen. Es sind teils Alltagsgegenstände, wie in der 2011 entstandenen Serie „Cluster“, in der ganz in der Manier der Stilrichtung Pop-Art, Gegenstände zur Kunst erhoben werden wie etwa Dübel, ein Verkehrshütchen oder Zahnspangen. Diese werden quasi porträtiert und solitär ins Bild gesetzt. Sie vermitteln die Botschaft, dass auch vermeintlich gewöhnliche Dinge ins rechte Licht gerückt künstlerischen Anspruch haben. Als Inspiration hierzu können beispielsweise die „Campbells Tomato Soup“ Dosen von Andy Warhol gesehen werden. Auch das Pünktchenraster dass hier und da, beispielsweise in der Arbeit „Getaway“ am oberen Bildrand oder mittig in der Arbeit „Tidy Up“ auftaucht erinnert an die Comicdarstellungen von Roy Lichtenstein, der seinerzeit das noch junge Medium Comic zur Kunstform erhoben hat.
Doch Johann Büsen aufgrund der Alltagsgegenstände im Bild und eines Rasters im Hintergrund seiner älteren Arbeiten in Richtung Pop-Art zu schieben wird dem Künstler nicht gerecht. Vielmehr verbindet die Darstellung des gezeigten und die Arbeitsweise des zweiunddreißigjährigen Büsen, der im Bremer Umland aufgewachsen ist, sein Werk zu einem neuen Genre der digitalen Malerei, wie Johann seine eigenen Arbeiten nennt. Und damit ist er ganz Kind des 21. Jahrhunderts, einer medialen Welt treu, die es so vor dreißig Jahren noch nicht gegeben hat. Mit der Entwicklung von Acrylfarben und Pinsel auf Leinwand zur digitalen Malerei mittels Software, Maus und Zeichentablett hat Johann seine Malerei in Richtung Zukunft vorangetrieben und sich eine bald endlose Quelle der Inspiration aufgetan: Das Internet. Mit Bildern und Fotografien von Naturforschern, Wissenschaftlern, Urlaubsfotografien, technischen Zeichnungen und journalistischer Dokumentation. Mittels digitaler Malerei und einem unerschöpflichem Vorrat an Bildern schafft Johann Welten die Fragen aufwerfen deren Antworten wir als Betrachter nicht immer geben können. Johanns Werk umfasst neben hier gezeigten Drucken auch Kurzanimationen, und raumgreifende Wandbilder die für bestimmte Ausstellungskonzepte erstellt werden. Ein umfassendes Bild seiner Arbeit ermöglicht der Besuch auf seiner Internetseite die nicht weniger farbig, schillernd und facettenreich ist als seine „realen“ Werke. Johann schöpft seine Ideen aus einem riesigen Fundus von Bildern die er teils selbst fotografiert oft aber im Internet gefunden hat. Dabei wird die Bildersuche mit verschiedenen Suchbegriffen gespeist: „Menschen“, „Tiere“, „Technik“, „Architektur“, „Kino“ oder „Pinselduktus“, oft auch schon mittels Programmen die nach bestimmter Bildmatrix suchen. Die gefundenen Bilder werden dann gesichtet, sortiert, archiviert oder verworfen und dann mittels verschiedener Programme zu einem Bild zusammengefügt und weiterbearbeitet, strukturiert und entwickelt mit variablen Modulen zusammengesetzt oder ergänzt, bis ein Werk druckreif ist. Wobei der Prozess von einer Idee bis zum fertigen Bild, oft auch geprägt ist von Neuarrangements oder Arbeitspausen, mal stromschnell ist dann zäh fließend. Die hier gezeigten Werke sind hochwertige, lichtechte Pigmentdrucke auf Leinwand.
„Shaman“, eine Arbeit aus dem Jahr 2014 zeigt eine mystische Szenerie in mitten einer baumbewachsenen Dschungellandschaft. Auf einer Lichtung haben sich regenbogenfarbene Windhunde versammelt, die aufmerksam den wenig menschlichen Schamanen beobachten, der sich zwischen zerbrochenen Stehlen auf einem Kreisornament bewegt. In seinen Händen hält der Schamane Zepter die je von einem durchbrochenen Lichtball gekrönt sind. Das Licht schlingt sich wie Wurzelwerk um den Schamanen und verleiht der Darstellung eine Beleuchtung die an Fackeltänzer in einem Ring aus Zuschauern erinnert. Das Antlitz des Schamanen erinnert vielmehr an einen Roboter, oder einen Menschen mit bionischen Körperteilen. Die Mimik bleibt hinter der verschatteten Maske zurück. Die Anonymität der Menschen in Ihren Taten beschäftigt den Künstler, der inzwischen wieder in Bremen lebt, in vielen seiner Werke. Oft verbergen sich die Figuren unter Schutzanzügen oder Helmen sodass sie unkenntlich und damit universal bleiben. Auffällig ist, im Zusammenhang mit den gesichtslosen Figuren hier das Werk „Bionic“ ein stehender Mann, bis zur Brust in ein Reptilienkostüm gekleidet ist blickt gebannt auf einen kleinen Monitor der in Schulterhöhe auf einen Ring montiert ist, an dem das Reptilienkostüm befestigt ist. Völlig unbeeindruckt von seiner Umwelt, einer unbelebten Mondlandschaft und einem weiten, wie gemaltem Himmel in Rottönen verfolgt der Mann einzig die Anzeige auf dem Monitor. Sein Blick verrät Konzentration und Anstrengung, die auch das Gewirbel der flirrenden Fetzen um ihn nicht unterbrechen. Hier ist die gefesselte, notwendige Anbindung des Menschen an die Technik, sei es durch ein Smartphone oder ein Tablet, obsolet. Das Bild wirkt, im Vergleich zu den anderen Werken, gleich einem Portrait das sich mit nur einer Hauptperson beschäftigt und fungiert als eine Art Spiegel für uns als Betrachter den Blick weg von Virtuellem zurück auf unser Umfeld zu richten. Anders die Szene im Bild „Opposition“ Vor archaischer Bogenarchitektur zeigt sich ein Kampffeld. Menschen in Uniform mit Helmen traktieren ihre Opfer mit Stäben, zwingen sie am Boden liegen zu bleiben. Von oben schweben Teile einer übergroßen Skulptur an Seilwinden ins Bild während Wimpel in rosa und gelb die sonst grünblaue Szenerie schmücken wie bei einer Parade. Gehören die Täter und die Skulptur thematisch zusammen? Die Färbung in leuchtendem grün legt es nahe. Verschmelzen hier Vergangenheit und Zukunft? Eine eindeutige Antwort bleibt das Bild dem Betrachter schuldig. Die gewählte Farbpalette in buntem, fröhlichem Kolorit täuscht meist über den Inhalt hinweg, und zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Denn die Bilder beschäftigen sich nicht mit einer fantastischen, sorgenlosen Fabelwelt sondern zeigen Visionen aus Krisengebieten und Alpträumen: Kampf- oder Folterszenen wird ein kontrovers fröhlicher Anstrich verliehen. Gegner in rot gepunkteten Hosen die sich mit Stangen traktieren, im Bild „Clash“ während die Gesichter abgewandt oder unkenntlich verpixelt sind, oder Regenbögen die sich aus dem Rasen nach oben wölben um noch einen Hauch von Farbe auf den Tatort zu werfen: Gezeigt wird eine groteske Form von doppelbödigem Humor. Auch bei Arbeiten die wissenschaftlichen Inhalt zeigen: Untersuchungen an Gesteinsproben wie in „Research“ finden nicht im Labor statt sondern im offenen Raum: Gedankenblasen und amorphe Figuren breiten sich über den Bildgrund aus und formulieren schon die Ideen der beiden Wissenschaftler, die sich in „Opposition“ in aufsteigenden, schwebenden violetten Quadern in Antworten zu formulieren suchen. Der Einstieg in die farbgewaltigen Werke ist unabhängig von Alter, ethischer oder kultureller Herkunft für jedermann möglich. Über bereits genannte Alltagsgegenstände die zur Kunst erhoben werden oder aber Anlehnungen und Kopien von bekanntem aus Kindertagen wie etwa dem Kinderbett und Schaukelpferden im Bild „Excursion“ im Digitalen Bilderrahmen, oder der Filmstills wie die Maske des „Darth Vader“ aus Star Wars, und den Luftaufnahmen die den Himmel und den Boden im Bild „Excursion“ von 2014 bilden. Die Varianz der Bildquellen schenkt uns als Betrachter einen Zugang, und je offener wir für die konstruierten Bildlandschaften und Welten sind umso mehr erschließen sie sich, obschon die Bildinterpretation auch seine Grenzen hat und wir angesichts der gezeigten Vielfalt lernen müssen Inhalt und Motive als solche zu akzeptieren. „Lustvoll und wie im Rausch“ beschreibt eine Kollegin Johanns Arbeiten treffend.
Johann Büsen hat von 2005 bis 2010 an der Hochschule für Künste in Bremen studiert und die Klasse von Peter Bialobrzeski besucht. Neben seiner Arbeit als Mediengestalter hat er während des Studiums auch verschiedene Lehrtätigkeiten im Bereich Digitale Medien wahrgenommen. Mediale Welten sind somit das Thema und zuhause für den Künstler der 1984 in Paderborn geboren ist. Seit 2003 sind seine Arbeiten in Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zu sehen, jüngst auch in London, Sydney und New York. Der Ausstellungstitel, Fading Worlds, lässt sich mit den Worten vergängliche, verblassende oder überblendete Welten übersetzen, die wir nun jeder für sich und gemeinsam entdecken können.
Annika Oshiro Higa